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Rollentausch

Seit Dezember 2015 arbeitet mein Mann wieder. Die Umstellung hat reibungslos funktioniert und auch die Kinder gewöhnten sich Dank guter Vorbereitung schnell an unseren Rollentausch (hier kann man nachlesen, wie es dazu kam). Die beruflich bedingte Abwesenheit meines Mannes war unerwartet hoch, sodass ich nun in den Genuss kam, mich neben meiner in Vollzeit ausgeübten Selbstständigkeit auch noch  gefühlt alleinerziehend um unsere zwei Kinder zu kümmern – und um 80 Prozent des Haushalts. Aber auch das bekamen wir in den Griff, zumal sich die Lage aufgrund seiner neuen Arbeitsstelle ab Mai 2016 deutlich entspannen wird.

 

Wenn ich spontan eine Anekdote aus dieser Zeit erzählen müsste, fiele mir die folgende ein: Bis 23 Uhr hatte ich gearbeitet und mich dann bettfertig gemacht, als der Junior, 3 Jahre alt, weinend im Bett saß. Er hatte schlecht geträumt und war völlig nassgeschwitzt. Ich beruhigte ihn, zog ihm einen frischen Schlafanzug an, legte ihn wieder ins Bett, sang ihm noch etwas vor und ging dann schlafen. Um Mitternacht wieder ein Weinen aus dem Kinderzimmer – der Junior hatte sich vorgenommen, in seinem eigenen Bett zu schlafen, fühlte sich jedoch einsam und haderte nun mit sich selbst. Ich trug ihn ins Schlafzimmer, legte ihn neben mich und döste gerade ein, als er wieder aufstand. Er wolle doch lieber im eigenen Bett schlafen. Auf dem Weg ins Kinderzimmer zog er sich die Türe auf dem Zeh.

 

Wer Kinder hat weiß, dass Nächte in dieser und ähnlicher Form völlig normal sind. Mal hat man Glück und darf durchschlafen, mal wird die Nacht jedoch zum Tag. Die kalte Jahreszeit ist dabei besonders spannend, wenn ein Infekt den nächsten jagt, die Läuse in der KiTa kursieren und man allein durch die Funktion als Mama genötigt wird, an sämtlichen Veranstaltungen von KiTa, Schule und Sportverein nicht nur präsent zu sein, sondern stets aktiv mitzuwirken. Und dann sind da noch die beruflichen Projekte, die immer dann fertig werden müssen, wenn zu Hause die Hölle tobt. Ich habe mir nun die Mühe gemacht und den ganz normalen Wahnsinn Alltag eines willkürlich im März gewählten Tages notiert.


Manchmal wird die Nacht zum Tag.


Besagter Tag beginnt um Mitternacht, als unser Junior schreiend im Flur sitzt und sich seinen Zeh hält. Ich stehe auf, pflücke den Junior vom Boden, tröste ihn und lege ihn neben mich. Er beruhigt sich schließlich und schläft ein, den Kopf mittig auf meinem Kissen, die Füße im Nacken meines Mannes.

Gegen halb zwei wird er wieder wach und seufzt vernehmlich, weil mein Mann schnarcht. Ich beruhige beide. Zu Dritt starren wir nun an die Decke. Es dauert eine Weile, bis wir wieder einschlafen.

 

Um halb drei wache ich wieder auf, weil ich unsere Große, 7 Jahre alt, laut reden höre. Seufzend stehe ich auf, stelle aber fest, dass sie zwar unruhig, aber fest schläft. Immerhin. Da ich sowieso wach bin, hebe ich den Junior vorsichtig von meinem Kissen und lege ihn wieder neben mich. Wütend tritt er daraufhin nach meinem Mann, erwischt aber nur dessen Decke und schläft weiter.

 

Punkt 4:30 Uhr klingelt der Wecker meines Mannes. Leise verlässt er das Haus, ohne die Kinder zu wecken. Der Junior spürt jedoch, dass er mehr Platz zur Verfügung hat und legt sich quer, die Füße verheddern sich in meinen Haaren. Weil das kitzelt, fängt er an zu strampeln. Das ergibt weniger Haare, dafür zusätzlich eine Beule am Kopf.

 

Um 6:30 Uhr klingelt mein eigener Wecker. Endlich. Ich wecke die Kinder, gehe ins Bad, ziehe mich an, wecke die Große erneut, helfe dem Junior beim Anziehen und richte das Frühstück und Vesper für Schule und KiTa. Als Morgenmuffel rede ich nicht viel, was den Kindern sicher zugute kommt. Pünktlich laden wir die Große in der Schule ab. In der KiTa angekommen hängt ein großer Zettel an der Tür: „Wir haben Scharlach, Madenwürmer und Läuse“.


Die KiTa als Versuchslabor - hier ist für jeden etwas dabei.


Wieder Zuhause brühe ich mir einen Tee auf und gehe dann ins Homeoffice. Die Themen meiner Aufträge sind heute bunt gemischt: Handwerk, Kfz, Altersversorgung, Medientechnik, Sport und Pädagogik. Vorher noch E-Mails bearbeiten, eine Rechnung und ein Angebot schreiben und mich ärgern, weil das WLAN hängt.

 

Gegen zehn klingelt es an der Haustür. Ich renne vom 2. Stock ins Erdgeschoss. Der Postbote überreicht mir ein Päckchen – das Muster-T-Shirt für den TaeKwon-Do-Verein. Prima. Drei Minuten später klingelt es abermals; wieder renne ich ins Erdgeschoss und nehme ein Päckchen für die abwesenden Nachbarn entgegen. Kaum im Büro klingelt es noch einmal. Die anderen Nachbarn sind auch nicht da.

 

Um halb zwölf ruft meine Freundin an, um sich für das Päckchen zum Geburtstag ihrer Tochter zu bedanken. Ich reiße mich vom Schreibtisch los und bereite telefonierend das Essen vor. Anschließend hole ich die Kinder ab. Es beginnt die sich täglich wiederholende Diskussion über die Notwendigkeit des Händewaschens. Um die Sauberkeit zu beweisen, steckt der Junior seine Finger in den Mund. Ich versuche, nicht an die Madenwürmer zu denken und überzeuge ihn schließlich mit einer neuen Seife.


Angeblich ist die Trotzphase wichtig für die Entwicklung der Kinder.

Gut finde ich sie deshalb noch lange nicht.


Das Mittagessen verläuft ohne Zwischenfälle. Nachdem auch die Hausaufgaben erledigt sind, setze ich die Kinder eine halbe Stunde vor den Fernseher und suche sie währenddessen nach Läusen ab. Als sie danach spielen gehen (die Kinder, nicht die Läuse), kümmere ich mich um den Haushalt: Staubsaugen und Wäsche waschen.

 

Nachmittags machen wir uns auf den Weg zum TaeKwon-Do-Verein. Das T-Shirt ist ein voller Erfolg, mit dem Trainer bespreche ich das weitere Vorgehen. Während die Tochter trainiert, gehen der Junior und ich ins gegenüberliegende Kaufhaus – im Restaurant steht eine Kinderrutsche nebst einem Tisch mit Malsachen, Erwachsene werden mit Espresso für 99 Cent bei Laune gehalten. Nach dem Sport gibt’s Abendessen, dann bringt mein Mann die Kinder ins Bett. Ich mache mich wieder auf den Weg zum TaeKwon-Do-Verein – diesmal alleine -, trainiere den Kopf frei und fühle mich wieder ein wenig selbstbestimmt.

 

Nach dem Training schaue ich nach den Kindern, dusche flugs, dann geht’s wieder ins Büro. Je nach Auftragslage arbeite noch ein bis drei Stunden. Als ich schließlich im Bett liege, höre ich den Junior husten. Morgen also Kinderarzt statt Kindergarten. Aber auch das geht vorbei.