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Wir gründen ein Familienunternehmen

Ende 2011 wurde ich zum zweiten Mal schwanger. Und plötzlich änderte sich alles…

 

Zugegeben: Die Schwangerschaft kam nicht ganz unerwartet. Trotzdem stellten wir uns erst nach dem eindeutigen Befund die Frage, wie es nun konkret beruflich für meinen Mann und mich weitergehen sollte.

 

Wir hatten zwei Möglichkeiten:

 

1. Mein Mann arbeitet nach wie vor in der bisherigen Firma weiter, dann müsste ich versuchen, die bisherige berufliche Tätigkeiten mit zwei Kindern statt einem zu managen und ggf. beruflich kürzer treten, falls die Betreuungszeit gerade am Anfang zu viel Zeit beansprucht.

 

2. Ich werde zum Hauptverdiener, mein Mann tritt beruflich kürzer und übernimmt einen Teil der Kinderbetreuung.

 

In der Vergangenheit hatte mir mein Mann ein paarmal bei der EDV und – dank seiner guten Kenntnisse durch die Fotografie – beim Bearbeiten von Bildern geholfen, wenn ich vor lauter Arbeit und kranken Kindern in Zeitnot geriet. Wäre es möglich, dieses „Unter-die-Arme-greifen“ zu seinem zukünftigen Halbtagsjob zu machen? Immerhin hatten wir keine Ahnung, ob sich der bisherige Arbeitgeber meines Mannes ggf. auf eine geringfügige Beschäftigung einlassen würde. Abgesehen davon – dass man sich als verheiratetes Ehepaar rund um die Uhr sieht, ist doch eigentlich ganz schön. Oder?

 

Schließlich trafen wir folgenden Entschluss: Mein Mann würde das komplette Jahr Elternzeit nehmen und während dieser Zeit würden wir testen, ob Möglichkeit Nr. 2 funktionierte. Er müsste sich dann in die nötige Software einarbeiten und sich die Grundlagen der Gestaltung aneignen. Auf diese Weise würden wir auch sehen, ob wir es rund um die Uhr miteinander aushalten – der Schlafmangel durch nächtliche Fütterungen nach der Geburt würde sein übriges tun, die Zusammenarbeit auf die Probe zu stellen. Dafür lockte die Aussicht, dass wir beide die Kinder in der kurzen Zeit des Großwerdens begleiten dürfen, wir würden uns bei Krankheit gegenseitig vertreten können und Termine könnte man deutlich einfacher organisieren. Durch das Homeoffice würden meinem Mann die langen Anfahrtswege zum Arbeitsplatz erspart bleiben, zudem würden die jeweils mehrere Tage dauernden Dienstreisen wegfallen. Außerdem ist ein Jahr eine lange Zeit – wer konnte uns garantieren, dass es dem bisherigen Arbeitgeber meines Mannes nach der Elternzeit immer noch gut gehen würde? Dass die Airlines seit längerem Schwierigkeiten haben und nicht nur deutschlandweit die Angestellten kündigen, ist weithin bekannt. Also auch hier keine hunderprozentige Sicherheit.

 

Ende Juni 2012 war es soweit: An einem Dienstag am hellichten Tag erblickte unser Sohn das Licht der Welt. Was nun kam, kannten wir schon vom ersten Kind: nächtliche Fütterungen, Schlafmangel und direkt die ersten Nachfragen, wann ich denn wieder einsatzfähig sei.

 

Die ersten drei Monate nahm ich zusammen mit meinem Mann Elternzeit. Als diese drei Monate vorbei waren, wartete ein großer Berg Arbeit auf mich. Es hatten sich einige Projekte angesammelt, die „schnellstmöglich“ bearbeitet werden mussten. Was sich zunächst gut anhörte, hatte seine Tücken – obwohl mein Mann sich nun rund um die Uhr um die Kinder kümmern konnte, verlangten beide lautstark nach meiner Präsenz.

 

Die Tochter wollte sich nicht damit abfinden, dass nun ihr Papa hauptsächlich für sie da war und der Junior war das, was man im Schwäbischen ein typisches „Mamasuggele“ nennt – ein ausgesprochen anhängliches Mamakind. Trotzdem hat sich das alles irgendwann eingespielt. Ich arbeite nach wie vor hauptsächlich dann, wenn die Kinder im Bett sind, aber es funktioniert.

 

Im Februar 2013 kam schließlich der Tiefpunkt. Ich wartete seit einer Woche auf die angekündigten Aufträge und malte mir bereits den finanziellen Bankrott aus, da bekamen beide Kinder einen grippalen Infekt mit anschließender Lungenentzündung. Die Tochter hatte das „Glück“, dass sie von Zuhause aus behandelt werden konnte, jedoch nur mit Rund-um-die-Uhr-Betreuung. An ihrem ersten fieberfreien Tag fünf Tage später fuhr ich dann mit dem acht Monate alten Junior ins Krankenhaus. Morgens noch einigermaßen fit war er gegen Mittag bereits apathisch und übergab sich bei jedem Hustenanfall. Er wurde direkt an die Infusion angeschlossen und mit Antibiotikum versorgt. Mein Mann und ich wechselten uns tageweise mit der 24stündigen Betreuung im Krankenhaus ab, der jeweils andere kümmerte sich solange um die Tochter, die insgesamt zwei Wochen im Bett lag.

 

Vielleicht war es ganz gut, dass ich während dieser Zeit nicht zum Nachdenken kam und die unfreiwillige Pause nutzen konnte, mich um die Kinder zu kümmern. Denn als alles überstanden war, klingelten kurz hintereinander Post und Telefon und ich hatte Arbeit bis Ende des Jahres. Wir überlegten uns jedoch einen „Notfallplan“: Falls es eng werden würde hinsichtlich der Auftragslage, hätten wir Puffer für ca. ein halbes Jahr – genug Zeit also, dass sich mein Mann ggf. eine Halbtagsstelle suchen könnte.

 

Doch damit war es nicht zu Ende – jetzt begannen unsere Vorbereitungen für das evtl. infrage kommende Familienunternehmen und wir erlebten die deutsche Bürokratie von ihrer besten Seite. Glücklicherweise haben wir eine sehr kompetente Beraterin für unsere Versicherungen und auch meine Schwester als selbstständige Buchhalterin hat uns viele nützliche Tipps gegeben: Ich benötigte eine Betriebsnummer, ein Lohnsteuerprogramm, mein Mann musste neu versichert, die Rentenvorsorge angepasst werden, die Krankenversicherung der Kinder übernahm ich. Zudem musste eine Stellenbeschreibung und eine genaue Definition der Tätigkeiten für meinen Mann erstellt werden, wir benötigten einen speziellen Ehe-Arbeitsvertrag, ein separates Privatkonto für seinen Lohn wurde uns nahegelegt und bei der Berufsgenossenschaft musste er auch noch angemeldet werden. Wir benötigten einen Mitgliedsnachweis der Krankenversicherung, deren Betriebsnummer für die Lohnabrechnung und wir mussten uns überlegen, als was ich ihn eigentlich anstellen sollte – immerhin war er Quereinsteiger und durfte keine geschützte Bezeichnung führen. Visitenkarten durften auch nicht fehlen.

 

Das meiste haben wir inzwischen erledigt.

Und nun noch eine Bemerkung zu unserer Beziehung: Dass wir uns rund um die Uhr sehen, ist ein toller Gewinn für unsere Ehe. Das Vertrauen, die große Verlässlichkeit und die weitestgehende Einigkeit hinsichtlich Erziehung und Beruf sind eine wunderbare Basis für die gemeinsame Zukunft.

 

Wir wollen also den Schritt wagen und unser eigenes kleines Familienunternehmen gründen. Am 30.09.2013 endet nun die Kündigungsfrist beim bisherigen Arbeitgeber meines Mannes. Am 1. Oktober wird er mein erster Angestellter. Ich freu mich drauf :-)