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Selbstständig und Mama

Um die am häufigsten gestellten Fragen vorab zu beantworten: Ja, es funktioniert. Es funktioniert sogar ziemlich gut. Und – nein, viel Zeit für sich hat man nicht mehr. Schließlich arbeitet man dann, wenn der Nachwuchs schläft – also in der Mittagspause, Abends oder Nachts. Währenddessen ist man ständig in Bereitschaft und in der restlichen Zeit ist man dann für sein Kind da. Entspannter wird es erst, wenn der Nachwuchs in den Kindergarten kommt (und gerade keine Infekte mitbringt). Trotzdem – es lohnt sich.

 

Die Vorzüge einer selbstständigen Tätigkeit sind bekannt. Man ist sein eigener Chef, kann seine Arbeitszeiten selbst festlegen und wenn ein Auftrag besonders einträglich war, gibts als Belohnung ein Wellness-Wochenende oder eine neue Kamera. Home Office hat zudem den Vorteil, dass man sich kilometerlange Anfahrtswege und Staus spart, außerdem interessiert es niemanden, ob man aufgrund einer – äh – durchgearbeiteten Nacht dicke Augenringe hat und die Frisur nicht in den Griff bekommt.

 

Klingt nach guten Voraussetzungen für ein Kind. Als ich bereits ein Jahr selbstständig, für einen Schulbuch-Verlag und diverse Kleinunternehmen tätig war und eine Weiterbildung zur Texterin begonnen hatte, reifte der Gedanke an eine kleine Familie heran. Was dann auch prompt auf Anhieb klappte.

 

Trotz diverser Komplikationen während und nach der Schwangerschaft konnte ich meine Aufträge so organisieren, dass alle Abgabetermine eingehalten wurden. Meine Auftraggeber hatte ich frühzeitig über den kommenden Nachwuchs informiert und war überrascht, wie viel Rücksichtsnahme man mir entgegenbrachte. Nicht ein Auftraggeber zog sich zurück. Im Gegenteil.

 

Anfangs dauerte es eine Weile, bis ich meine neue Rolle gefunden hatte, doch dann pendelte sich alles ohne größere Schwierigkeiten ein. Mein Mann bot als Hauptverdiener mit seinem Angestellten-Verhältnis die notwendige finanzielle Sicherheit und unterstützte mich als Papa so gut er konnte (und er konnte es wirklich ausgezeichnet). Meine Schwester kümmerte sich als selbstständige Bilanzbuchhalterin vermehrt und kostenfrei um meine finanziellen Angelegenheiten und meine Familie – also Eltern, Schwiegereltern und Geschwister – hatten großes Interesse am Nachwuchs und sprangen immer ein, wenn es Engpässe gab. Und diese Privilegien habe ich bis heute.

 

Da Neugeborene viel schlafen, hatte ich anfangs trotz Schlafmangel genügend Zeit zum Arbeiten und Ausruhen. Später bekam ich Unterstützung von zwei Babysitterinnen, die immer abwechselnd und je nach Bedarf ein- bis dreimal die Woche vorbeikamen. Auch heute noch ist eine Babysitterin regelmäßig zu Gast bei uns.

 

Sicherlich gab es Zeiten, in denen ich mehr kämpfen musste, als wenn ich kinderlos und angestellt geblieben wäre. Mutterschutz hat man als Selbstständige weder vor noch nach der Geburt, finanzielle Unterstützung bekommt man in dieser Zeit auch nicht. So arbeitete ich bis zum Tag der Geburt im September 2008 und stieg zwei Wochen später wieder ein, nachdem ich aufgrund diverser Komplikationen zehn Tage im Krankenhaus bleiben musste.

 

Das Telefon klingelte nun typischerweise immer dann, wenn der Nachwuchs gerade am Einschlafen war oder lautstark nach Futter verlangte. Die Telefonate waren ohnehin immer spannend. Einmal knallte unsere Tochter in dem Moment gegen die Tischkante, als ich ein wichtiges Kundengespräch führte. Oder die Milch kam wieder hoch. Oder sie musste dringend Pipi machen, und in der Zeit des Trockenwerdens rächt sich jede Sekunde, in der man nicht sofort reagiert.

 

Anstrengend waren auch die dreieinhalb Monate zwischen Dezember 2010 und März 2011, in der die Tochter mit einer hartnäckigen Bronchitis kämpfte, kaum eine Nacht durchschlief und sich zwischenzeitlich zwei Magen-Darm- und drei Erkältungsinfekte einfing, die sie alle an ihre Eltern weitergab. Oder als sie eine Woche vor unserer Hochzeit 2009 wegen Verdacht auf Gehirnerschütterung für drei Tage ins Krankenhaus musste.

 

Eine tolle Erfahrung war der Nachwuchs dennoch. Ich bin gelassener geworden, habe gelernt, das Leben mit mehr Humor zu nehmen. Mit meinen Auftraggebern spreche ich offen über aktuelle oder zu erwartende Engpässe. Zurückrufen war nie ein Problem und die Kunden wussten, woran sie waren. Das wurde sehr positiv aufgenommen und ich kam nie in die Verlegenheit, irgendwelche haltlosen Ausreden erfinden zu müssen.

 

Und unsere Tochter? Ich hatte zumindest nie den Eindruck, dass sie unter meiner Arbeit leiden musste. Vielleicht beschäftigt man sich in der gemeinsamen Zeit sogar noch bewusster mit dem Nachwuchs, wenn man sich zwischendurch selbst verwirklichen kann. Auf jeden Fall verkündete sie kurz nach ihrem dritten Geburtstag, dass sie jetzt gerne mit Arbeiten anfangen würde, um mit dem Geld so einen gelben Lieferwagen zu kaufen, wie er gerade an uns vorbeigefahren war. „Da soll dann auch so ein blaues Logo drauf.“